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Bericht des Vorstands - Rückblick 2023
von Christoph Thoma
Liebe Mitglieder des Vereins Kulturwelt Marktoberdorf e.V.,
liebe Mitvorstände, gewählte Kollegen und kooptierte Beirätinnen!
„Unsere freiheitliche Demokratie lebt nicht von Umfragen, sie lebt von Engagement und Courage!“
Ein Satz von Roman Herzog, dem ehemaligen Bundespräsidenten, den ich als gebürtiger Landshuter gut kannte. Mein Vater ist mit seiner Frau Christiane im evangelischen Pfarrhaus von Landshut aufgewachsen.
Ein Satz von Roman Herzog, der 2023 fatal wichtig und richtig geworden ist!
Und Willy Brandt, der ehemalige Bundeskanzler, sagte im April 1933 – also vor genau 90 Jahren – Zitat: „Die Disziplin des Dritten Reiches ist Kriechertum und keine Freiheit. Der Antisemitismus und die nationale Hetzpropaganda sind Beschränkungen und keine geistigen Werte. Der Faschismus ist geistige Sklaverei!“
Was ist mit unserer Gesellschaft geschehen bzw. in welcher Gesellschaft leben wir, dass ich mich veranlasst sehe, die Mitgliederversammlung unseres kleinen Vereins „Kulturwelt Marktoberdorf e.V.“ mit diesen Zitaten großer Demokraten zu belasten.
Als wir alle oder zumindest die meisten von uns am 26. Januar 2024 im strömenden Regen auf dem Stadtplatz von Marktoberdorf mit einem Bündnis gegen rechts, mit demokratischen Parteien und Kirchen zu Hunderten gegen Ausländerfeindlichkeit, Verschwörungstheorien und Demokratie-Abkehr protestierten, war dieses „nie wieder ist jetzt“ ein Aufbegehren der lange Zeit schweigenden Mehrheit. Und ich – das gebe ich gerne zu – war dort nicht nur als Privatperson, Europäer und Staatsbürger, ich war dort auch als Vorsitzender der „Kulturwelt“.
Ukraine, Umwelt, Unkosten, Umbau der Landwirtschaft, Bundeswehr-Milliarden, Dauer-Streiks. Wer soll das bezahlen? Und dazu ein galoppierender Werteverfall, grassierender Egoismus, und eine Demokratie, die vielen nichts mehr gilt, die nichts mehr wert zu sein scheint, die mit Füßen getreten wird. – Welchen Stellenwert hat da noch die Kultur??
Von Michelangelo, dem genialen Bildhauer der Renaissance stammt der Satz: „Kunst hat die Aufgabe, wachzuhalten, was für uns Menschen so von Bedeutung und so notwendig ist!“
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Marktoberdorf ist im positiven Sinn klein und unbedeutend. Zwar haben auch bei uns riesige Traktoren den Verkehr blockiert, Krawalle aber mögen in Berlin oder München stattfinden, aber nicht im Ostallgäu! Doch wir leben nicht mehr auf einer Insel der Seligen. Und sind nicht außen vor!
Aber: Wir steuern dagegen. Sie alle, unsere treuen Mitglieder im Verein „Kulturwelt Marktoberdorf e.V.“, die Künstlerinnen und Künstler, die unsere Bühnen bevölkern, und wir, die Vorstandschaft, die in kollegialer Freundschaft immer wieder und immer weiter versucht, gegen alle Widrigkeiten standhaft zu bleiben, treu zu sein, tatkräftig und – optimistisch!
Der Verein „Kulturwelt Marktoberdorf e.V.“ veranstaltet selbst oder unterstützt, er fördert Veranstaltungen, macht Konzerte, Lesungen oder Theateraufführungen möglich, weil er finanziellen Support leistet. Hand- und Spanndienste.
Ich will Ihnen – mit Mut zur Lücke - ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne zu viele Details mit ein paar Stichworten in Erinnerung rufen, was das Jahr 2023 unter der Regie oder der Mitwirkung unseres Vereins gebracht hat, vor allem auf den renommierten Bühnen „mobilè“ und „filmburg“, die uns ja besonders am Herzen liegen:
Die CD-Präsentation von „Klangland“ mit Konzert war am 8. Januar 2023 der Anfang. Wenn Harald Rüschenbaum etwas veröffentlicht, kann man sicher sein, Qualität zu erwerben!
Bücherfrühling - Herbstlese – ein neues Literaturprogramm für Marktoberdorf, das von der Buchhandlung Eselsohr und der filmburg Marktoberdorf unter Mitwirkung der „Kulturwelt“ äußerst erfolgreich gestartet werden konnte. Es begann am 2. März mit Robert Domes „Waggon vierter Klasse“. Ein Highlight war die Premierenlesung von Antonia Riepp „Die Frauen von Capri – Im blauen Meer der Tage“, auch weil dazu die „Sunny Boys“ spielten – Harald Rüschenbaum, Daniel Eberhard und Uli Fiedler.
Weitere Abende vor oft großem Publikum gestalteten u.a.: Achim Bogdahn und Rafik Schami.
Fremder-Du-Freund brachte am 10. März um 9.00 h und 16.00 h engagiertes Theater in die „filmburg“
Rosario Bonacorrso gab am 8. Juni 2023 mit seiner Band ein begeisterndes Gastspiel in der filmburg
Das sommerliche Hofkonzert – im Juli im und vor dem mobilè hat schon Tradition und ging bei gutem Wetter und mit begeisterten Gästen am 23. Juli über die Bühne
Ein voller Erfolg war auch der „Tag der offenen Tür“ in Lucia Goldas mobilè
Beim 18. Internationalen Kammerchor-Wettbewerb Marktoberdorf an Pfingsten 2023 war die „Kulturwelt“ selbstverständlich wieder mit dabei – einerseits mit einer Anzeige im Programmheft und andererseits mit der Teilfinanzierung des „Publikumspreises“.
Eine Spende der Sparkasse Allgäu aus Mitteln des „Reinertrags PS-Sparen und Gewinnen“ in Höhe von € 2000,- erweiterte deutlich unseren finanziellen Spielraum. Dafür – und auch für andere Spenden - sind wir sehr dankbar.
Eine Spende der VR-Bank Augsburg-Ostallgäu in Höhe von € 1000,- aus dem Spendenfond „Zweckertrag Gewinnsparverein“ hilft uns weiterhin Konzerte, Lesungen und andere kulturelle Ereignisse zu unterstützen.
„Trickburg-Animation & Game“ – ein Festival am Wochenende 16.-18. Juni mit Monika Schubert und Uli Wegenast in der „filmburg“ mit Workshops im „mobile“ haben wir nach 2022 natürlich auch 2023 wieder unterstützt.
Monika Schuberts grandiose Lumpaci-Aufführungen, die bemerkenswerte 2000 Menschen ins Modeon brachten, hat die „Kulturwelt“ genauso unterstützt, wie die begeisternde Gemälde-Ausstellung Oberdorfer Maler*innen im „Künstlerhaus“!
Das „Kino-Kinder-Fest „KIKIFE“ brachte innerhalb von nur einer Woche wieder 1500 Kinder in die filmburg. – Die „Kulturwelt“ ist stolz darauf, zu solchen Ereignissen in der Stadt Marktoberdorf ihr Scherflein beitragen zu dürfen.
Die „Allgäuer Filmkunstwochen“ liefen vom 05.-26. Oktober 2023, die wir Jahr für Jahr gerne mit einem Scherflein unterstützen.
Das Internationale Jazzcamp brachte vom 27. Oktober bis zum 2. November begeisternde Live-Musik und Filme
„40 Jahre mobilé“ erlebten wir mit einer grandiosen Gala am 20. Oktober 2023 im „Modeon“. Das Motto des launigen und emotionalen Abends lautete: „Das war im Programm nicht vorgesehen!“
„Es singt und liest zur Weihnachtszeit“ lautete am 10. Dezember das Motto bei einer liebenswerten Advent-Veranstaltung im „mobilè“ – Adventliche Klänge und Texte unter der Regie von Lucia Golda.
Das Konzert mit dem Zither-Manä am 16. Dezember 2023 war kultig, frech, literarisch. Ein ganz besonderer „Heimatabend“, ein Jahresschlusspunkt, zu dem ich mit Texten aus meinem Buch „Fernweh-Heimweh“ beitragen durfte. Die musikalische Lesung war gleichzeitig das Finale der „HerbstLese“ von Eselsohr und filmburg.
Mit „Jazz an einem Sonntag-Abend“ hat Monika Schubert im Februar 2024 eine neue Reihe monatlicher Jazzkonzerte in der filmburg gestartet. Extrem erfolgreich gestartet. Da ist man als „Kulturwelt“-Förderer gerne dabei.
Meine Damen und Herren, Bevor ich zum Schluss komme, habe ich noch ein wichtiges Thema, das nicht nur die Kultur betrifft, sondern leider auch die Politik. Es geht um den uns allen so lieb gewordenen „Engellandeplatz“ auf der Buchel.
Wie Sie wissen, wurde Mitte Juli 2023 bei einem schweren Unwetter das von einem in 25 Jahren herangewachsenen, großen Baum bekrönte Kunstwerk von Christoph Wank aus der Verankerung gerissen, umgeworfen und zerstört. Das Entsetzen war groß. Und die Trauer.
Ich habe mich nach Rücksprache mit meinen Vorstandskollegen schon zwei Tage nach dem Unglück mit der Stadt Marktoberdorf – sprich mit dem Kulturreferenten und dem Bürgermeister – in Verbindung gesetzt und habe signalisiert, dass der Verein „Kulturwelt“ die Restaurierung bzw. den Wiederaufbau des Engellandeplatzes jederzeit - auch mit finanziellen Mitteln - unterstützt.
Die Stadt bzw. der Städtische Bauhof hat mit großer Sorgfalt die Beton-Ringe – sowie nicht zerbrochen – gesichert und im Städtischen Bauhof auf Holz-Balken gelagert, um sie vor Nässeschäden zu schützen und beim Wiederaufbau zu verwenden. Das Kunstwerk gehört der Paul-Breitkopf-Stiftung. Und das Urheberrecht ermöglicht es der Eigentümerin, ein beschädigtes Kunstwerk wieder 1:1 herzurichten, auch wenn der Künstler damit nicht einverstanden ist.
Ich habe mich damals mit Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell extra ins Benehmen gesetzt, um zu bewirken, dass man den Wiederaufbau nicht ohne den Künstler macht, sondern ihn auf jeden Fall mit ins Boot holt, damit er mit seinen Ideen und Vorstellungen mitwirken kann….
Dieser Schuss ist aber leider nach hinten los gegangen, weil Christoph Wank zu keinem Zugeständnis und zu keinem Kompromiss bereit ist. Er will – für mich völlig unverständlich – einen neuen Engellandeplatz konzipieren und bauen, ohne die Verwendung der alten Bauteile und – was schon rein verkehrsrechtlich höchst problematisch ist, er will wieder einen schon zwanzig Meter hohen dicken Baum integrieren.
Bei zwei jeweils mehrere Stunden langen Gesprächen im Rathaus, bei denen sich Bürgermeister Hell höchst geduldig und kooperativ gezeigt hat, ist es nicht gelungen, Herrn Wank zu einer Mitwirkung am geplanten Wiederaufbau zu bewegen. Er wirft der Stadt sogar vor, die Beschädigungen an den Betonplatten durch unsachgemäßen Abtransport mitverursacht zu haben und er meint, der Bauhof würde „stümperhafte Arbeit“ leisten, die seinem Kunstwerk nicht gerecht wird.
Ich war zweimal über Stunden im Atelier von Herrn Wank und habe einen Nachmittag frierend bei Regen im Bauhof verbracht und mit Engelszungen und stichhaltigen Argumenten versucht, Herrn Wank zu irgendeinem Entgegenkommen zu bewegen. Den Argumenten, dass ein völlig neues Kunstwerk den Geist des alten verliert, und dass es unbedingt sinnvoll ist, so viele Bauteile des alten Kunstwerks in das neue zu integrieren, erteilt Herr Wank eine totale Abfuhr.
Bürgermeister Dr. Hell hält dem für mich nachvollziehbar entgegen, dass die Wiederherstellung der zerstörten Betonringe eine handwerkliche Tätigkeit darstellt, die der Bauhof mit seinen Fachleuten unter Beratung und Mitwirkung des Künstlers problemlos bewerkstelligen kann.
Ich habe für die "Kulturwelt" immer wieder versucht, Herrn Wank zu einem Einlenken bzw. zur Mitwirkung an der geplanten Restaurierung zu bewegen. Ich habe aber auch Verständnis für die Position der Stadt und der Stiftung geäußert.
Und ich habe zum Ausdruck gebracht, dass der Kulturwelt-Vorstand sich nicht aus-einanderdividieren lässt, auch wenn Herr Wank diesen Versuch unternommen hat!
Bürgermeister Hell hat auch auf rechtliche Probleme hingewiesen, z. B. die Verkehrssicherungspflicht. Schon deshalb sei es nicht möglich, wieder einen zwanzig Meter hohen Baum einzupflanzen. Die zu erwartende Häufung schwerer Stürme in der Zukunft würde dazu zwingen, an diesem exponierten Platz einen langsam wachsenden, kleineren Baum einzupflanzen.
Ich habe dann noch einmal angeführt, dass die Stadt bzw. die Stiftung ja im Zusammenhang mit der 1:1-Wiederherstellung des ihr gehörenden Kunstwerks plant, eine Tafel aufzustellen, auf der die Geschichte des Kunstwerks und die Intention des Künstlers erklärt werden. Auch die Zerstörung und dass 2024 eine Restaurierung stattfand... - und dass auch das doch eine gute Möglichkeit sei, zu erklären, warum das Kunstwerk "Patina" hat und nicht komplett neu ist.
Mein Appell an die Stadt bzw. Stiftung zum Schluss, sich durch das sture Verhalten des Künstlers nicht aus dem Konzept bringen zu lassen, und im Sinne der Idee und der Bürger*innen von Marktoberdorf das Kunstwerk - wie geplant – wiederherzu-stellen und nicht aus Verärgerung von dieser Idee abzurücken.
Und ich habe zugesichert, dass die "Kulturwelt " die Wiederherstellung des Engellandeplatzes weiterhin unterstützt und z. B. konkret die Kosten für die geplante Tafel mit Hinweisen auf den Künstler und die Geschichte des Kunstwerks übernimmt.
Übrigens: die Stadt hat mittlerweile das Grundstück auf der Buchel für vorerst weitere zehn Jahre von den Eigentümern gepachtet bzw. es ist gelungen, den Pachtvertrag zu verlängern. – Der Boden ist also bereitet. Buchstäblich.
Ganz aktuell und hoffnungsvoll stimmend dies: wenige Tage nach dem erneut gescheiterten Gespräch mit Christoph Wank im Rathaus hat mich Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell angerufen, um mich zu informieren, dass der Engellandeplatz nunmehr unter der Aufsicht einer Architektin bzw. Restauratorin vom Städtischen Bauhof wiederhergestellt werden soll. Stadt und Stiftung tragen die nicht unerheblichen Kosten.
Auch an der bereits besprochenen Tafel wird festgehalten, mit Hinweisen auf den Künstler und die Geschichte des Kunstwerks. Hier kommt die Stadt ausdrücklich auf das Angebot der „Kulturwelt“ zurück, die Kosten dafür zu übernehmen….
Ein Restrisiko bleibt: Weil Herr Wank ja damit gedroht hat, gegen das Vorgehen von Stadt und Stiftung zu klagen, könnte es zu einem Rechtsstreit kommen oder - die Stadt resigniert und stellt das Projekt ein. Dann wäre der Engellandeplatz (leider) für immer Geschichte.
Das wäre in meinen, in unseren Augen, eine Katastrophe. Leider ist Christoph Wank durch seine Sturheit und Hybris unter Umständen dabei, sein vielleicht wichtigstes künstlerisches Werk selbst endgültig zu zerstören.
An der Stadt, an der Stiftung und an uns liegt es nicht.
Mal schauen, wie es weitergeht.
Liebe Mitglieder*innen der „Kulturwelt Marktoberdorf“, was uns heuer sonst noch so vorschwebt, was wir schon eingetütet haben und was wir planen, darüber darf ich Sie etwas später in meinem Ausblick auf das Jahr 2024 informieren.
Mit dem Dank an meine Vorstandskollegen und die Beirätinnen für die geleistete Arbeit und das ehrenamtliche Engagement schließe ich den Bericht des Vorstands über das abgelaufene Vereinsjahr 2023.